1995. Unser Sender Querfunk bestand, was die maßgeblichen Leute betraf, zu einem Gutteil aus autonomen Szenegängern und solchen mit vage alternativem Hintergrund. Manche hausten im legendären besetzten Haus oder gar in bewohnten Wagenburgen oder sahen so aus. Das war einerseits cool und aufregend, die Subkultur war noch nicht derart stylisch, farcenhaft und auf den Hund gekommen wie heute. Andererseits stieß mir immer schon das Cliquenwesen in jener wie auch in anderen Szenen und „Zusammenhängen“ (wie es immer öfter hieß) auf. Integrität schien sich nur über ordensartige Zusammenschlüsse zu verbürgen, deren Teil man entweder war oder nicht war. Schon Wiglaf Droste hat die Enge von Freundeskreisen mit der von Bibelkreisen verglichen – ganz Unrecht hat er damit nicht.
Besteht die Praxis der "Freien Radios" heute nicht vor allem in der Selbsttäuschung, sich in der Tradition subversiver Bewegungen zu wähnen, aber doch längst in einem Gehege von domestizierendem Antrags- und Förderunwesen, medienpädagogischer Dienstleisterei und handzahmer DJ Culture sich häuslich eingerichtet zu haben?