Aus traurigem Anlass...

Wir sind geschockt. Uns ereilte eine tieftraurige Nachricht. Anfang August ist Lydia für immer eingeschlafen. Lydia hatte schon seit langem um ihre Gesundheit gerungen, doch am Ende konnte sie den Kampf nicht gewinnen. Lydia war eine der positivsten Personen, die wir kennenlernen durften. Auch ihre Sendungen waren immer so optimistisch. Uns fehlen die Worte.

Ihr kennt Lydia von den Blyss Indie Sounds. Vor kurzem hatte sie noch ihr dreijähriges Jubiläum voller Freude und Hoffnung bei uns gefeiert. Und die Blyss Indie Sounds waren für uns und für viele von euch ein fester Bestandteil eines perfekten Samstagabends.

Wir haben einen wunderbaren Menschen verloren. Sie ist unersetzlich. Uns bleiben ihre schönen Sendungen.

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Ein Nachruf:

Querfunk ist ein unabhängiger Radiosender im Leidenschafts- und Hobbyformat. Wir wollen Menschen erreichen, nicht Wähler, nicht Kunden, nicht Follower. Fans vielleicht, aber lieber bloß Menschen. Das war ganz offensichtlich auch Lydias Ansinnen.

Wenn sie nach der Diagnose schon nicht genügend Anlaß zur Zuversicht haben konnte, so doch zu Hoffnung, ein starkes Gefühl, das jede ihrer Sendungen mit ganzer Kraft durchzog. Ihre Moderationen waren von diesem zutiefst positiven Interesse am Leben durchtränkt. Wem die Emphase ihrer Radiostimme zu Ohren kam, der konnte praktisch ihre leuchtenden Augen vor sich sehen. Was bei anderen Sprechern vielleicht wie ein Programm zur Bauernfängerei und emotionalen Manipulation geklungen hätte, diese Tendenz zum positive thinking, bei Lydia war es echt; das konnte jeder bezeugen, der das Glück hatte, sie zu kennen. Eine Positivität, die nie auftrumpfte, sondern nachdenklich und, ja, zart herüberkam. Wahrhaftigkeit nennt man das wohl, und keiner von uns hatte das so sehr wie sie. Ihren so aufrichtigen und reflektierten Moderationen merkte man in eigentümlicher Weise an, daß sie sich pausenlos mit dem Auf und Ab menschlicher Emotionen auseinander setzte, und das bestimmte auch ihre Musikauswahl. Einmal sagte sie sinngemäß, gute Freunde seien das wichtigste im Leben; und gute Musik sei in leichten wie auch in schweren Zeiten wie ein Freund.

Obwohl meine Generation unter „Indie“/Independent etwas stilistisch komplett anderes versteht, konnte Lydia wie keine andere auch alten Knackern wie mir ein bißchen von der Faszination der zeitgenössischen Indie-Musik der „Jugend von heute“ (Sokrates) vermitteln. Daß überhaupt wieder vermehrt junge und integre Menschen zu unserem Radiosender gefunden haben in den letzten Jahren, macht uns optimistisch; zwischendurch hätte man schonmal denken können, unsere Tage seien gezählt und das ganze Medium sei ein Auslaufmodell. Doch wie auch die Vinyl-Schallplatten scheint der altmodische Rundfunk entweder ein ultrahippes Retro-Ding zu sein, quasi als Geheimtip und vielleicht sogar „das nächste große Ding“, oder er war nie wirklich weg und wir haben das nur nicht mitbekommen. Wenn ein Medium so tolle Menschen wie Lydia anzieht, dann kann es kein Auslaufmodell sein.
Vor allem haben wir uns gefreut, daß im Frühling 2019, als wir einen, nun ja, Besinnungs- und Konzept-Workshop abgehalten haben (das hatten wir seit den 90ern nicht mehr), nicht nur die üblichen Verdächtigen, nämlich wir notorischen Ü40-Fossile vor Ort waren, sondern auch junge Mitstreiterinnen, wie eben auch Lydia. Ihre frischen Ideen und Einwürfe, ihr Engagement ist von unschätzbarem Wert für ein so behäbiges Underground-Medium wie den Querfunk.

Vor allem Jens alias DJ Zebra hat gerne und viel mit Lydia zusammen gearbeitet, also moderiert und „aufgelegt“; das ergab sich quasi naturwüchsig, da Lydia allmonatlich direkt vor Jens mit seinen Club Classix an der Reihe war. Manchmal moderierten sie so – zusammen – beide Sendungen hintereinander weg und für Hörerinnen und Hörer war es samstags zwischen 19 und 22 Uhr interessant zu verfolgen, wie diese beiden, die altersmäßig doch rund ein Vierteljahrhundert auseinander lagen, sich über die wendungsreiche Entwicklung der Popmusik verständigten. Ohne daß es ein bemüht klingender „Dialog der Generationen“ geworden wäre, bestritten die beiden so ganz zwanglos gemeinsame Sendungen. Wenn DJ Zebra also von den alten Zeiten der 80er und 90er Jahre plauderte, aus der Ära von NDW und Mixtapes, Karottenhosen und Snap, zeigte sich Lydia, die hier als DJ Paprika firmierte, immer sehr aufmerksam, und man merkte, daß diese Neugier nicht irgendeinem Interesse an Kuriositäten entsprang, sondern völlig authentisch war.

Neugier im besten Sinne – Neugier aufs Leben – war, soweit ich das überhaupt beurteilen kann, einer der stärksten Charakterzüge von Lydia. Es erfüllt uns mit Stolz, daß eine so talentierte und leidenschaftliche Rundfunkmoderatorin ihren Weg zu unserem kleinen Sender gefunden hat und uns treu geblieben ist. Wir hätten sie auch als Mensch gerne noch lange behalten.
Ihre wertvolle Geisteshaltung läßt sich vielleicht am besten darin fassen, daß sie im Frühling, als das Thema Coronavirus nicht nur längst in aller Munde war, sondern plötzlich auch in unser aller Lebenswelt mit Gewalt eindrang, das gebotene social distancing mit einer Sendung im Geiste des social dis-dancing konterte und so die triste Zeit zu mildern und zu lindern trachtete. Die letzte entstandene Ausgabe ihrer allmonatlichen Sendung Blyss Indie Sounds hatte ihr dreijähriges Sendejubiläum zum Inhalt, und wohl jeder Zuhörer, jede Hörerin hätte sich (und ihr) noch weitere drei oder dreißig gewünscht.

Mir war die vage Information über Lydias Diagnose vollkommen äußerlich. Ich konnte das Wissen um die lebensgefährliche Erkrankung partout nicht mit ihrer Ausstrahlung, ihrem so liebenswürdigen Wesen zusammenbringen, das war ja das komplette Gegenteil. Diese ursympathische junge Frau, die das ganze Leben ja noch vor sich hatte – wie man so sagt. Ich weiß nicht, was Lydia in ihrem jungen Leben noch so alles vorgehabt hat, nur ist es, wenn man ihre helle, freundliche und auch kluge Stimme so hört, unfaßbar, daß sie so brutal und plötzlich aus dem Leben gerissen wurde.

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