Wieviel darfs denn sein? Darfs noch etwas mehr sein?

Die Ereignisse scheinen sich zu überschlagen. Lübcke, Halle, Hanau. Monat für Monat ... Ein Politiker der politischen Mitte wird als "Volksverräter" erschossen. Eine feierlich mit Menschen gefüllte Synagoge wird bewaffnet überfallen, das Blutbad wird nur durch die massive Eingangstür vereitelt. Nun wurden in zwei Shisha-Bars etliche Besucher erschossen. Nicht zu sprechen vom "Nationalsozialistischen Untergrund", der viele Jahre lang recht ungestört morden konnte; nicht zu sprechen von neuerlicher Pogromstimmung vor Flüchtlingsheimen in den Jahren nach 2015 (wie schon nach 1990) in der deutschen Provinz.
Wer Augen hat zu sehen, wer Ohren hat zu hören, weiß, daß solche Übergriffe und Untaten und Anschläge und Morde selten geschehen, ohne daß sich die Täter – mit dem "Rückenwind der Geschichte" – eines gewissen gesellschaftlichen Klimas sicher wissen. Daß sie überdurchschnittlich oft pychopathologisch auffällig sein sollen und daher als gewaltaffine Sonderlinge dargestellt werden, ändert an dieser Konstellation nichts und kommt sogar einer Verharmlosung gleich.

Nun wird die (von Freund und Feind gleichermaßen) mit Abstand meistgehypte politische Kraft, die AfD, nicht zufällig mit dieser gesellschaftlich grassierenden Stimmung, dieser ideologischen Gemengelange, in Verbindung gebracht. Zu gern würde sie sich als Macher und treibende Kraft inszenieren, dabei ist sie doch bloß ekelerregendes Symptom dieser mentalen Verrohungen und gesellschaftlichen Verwerfungen.
Einig ist man sich in aufgeklärten Kreisen darüber, daß natürlich der rechten Mentalität nur mit breiter gesellschaftlicher Ächtung zu begegnen ist. Inwiefern Verbote ein valides Mittel sind, ist hier und da umstritten. Interessant sind aber doch die Argumente, die durchaus aus der politischen Mitte wie auch in den Apparaten und Behörden vorgebracht werden, um zu besänftigen und sich in Appeasement zu üben:

  • Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD), eine unverhohlen nazi-affine politische Kraft, sollte bereits zweimal verboten werden, Anträge beschäftigten das Karlsruher Bundesverfassungsgericht. Obwohl eine verheerende "Signalwirkung" im Falle des Antrags-Scheiterns beschworen wurde, kam es nicht nur 2003, sondern auch 2017 ausdrücklich nicht zu einem Verbot der rechtsextremen Partei. Diese sei, so wurde offiziell festgehalten, zwar eindeutig verfassungsfeindlich, aber zahlenmäßig irrelevant.
  • Die Lage bei der Alternative für Deutschland stellt sich anders dar. Die Partei ist seit ihrer Gründung um ein bürgerlich-konservatives Auftreten bemüht, das auch "besorgte Bürger" und enttäuschte Wählerinnen der sogenannten Mitte nicht erschrecken soll. (Man erinnere sich an Die Republikaner in den 80er und 90er Jahren.) Bekanntlich hat sich die Partei allerdings stetig nach rechts bewegt, und die größten Erfolge feiert sie dort, wo sie am extremsten auftritt, z.B. in Thüringen, wo der Partei mit dem fischigen Höcke ein aktenkundig verbriefter Faschist vorsteht (also ein Verfassungsfeind). Kaum jemand fordert aber, die AfD zu verbieten, denn die Partei habe zu viel Wählerzuspruch, sei also zu relevant. Es wäre "undemokratisch", sie zu verbieten. Mit genau diesem Argument ... hätte man auch 1945 die NSDAP nicht verbieten dürfen.

Merken Sie was? An diesen Argumenten? Nun fragt man sich doch: Wieviel faschistisches Potential darfs denn sein? Ist's recht so? Wieviel faschistisches Potential ist genehm und politisch sinnvoll? In den sogenannten Sicherheitsbehörden (Polizei, Armee, Geheimdienste), obwohl immer wieder beteuert wird, diese spiegelten einen "Durchschnitt der Bevölkerung" wider – weshalb selbstredend mit schwarzen Schafen auch dort zu rechnen sei –, sammelt sich bekanntlich eher rechts denkendes Personal. Und dies ganz naturwüchsig, denn hehre Werte sind ja dort Dienst, der deutsche Staat, Autorität, Hierarchie, Führung. Und Waffentragen. Und Uniformen. Und Kameradschaft. Man darf also darauf vertrauen, daß diese Apparate hin und wieder mal eine rechtsextreme Terrorzelle ausheben (wie jüngst geschehen); vielleicht jede zweite oder dritte, die bekannt wird, das können wir nicht wissen.
Wir kennen die grotesken Bilder, wenn Beamte von Sondereinheiten Leute abführen, die (abgesehen von der Uniform) genau so aussehen wie sie selbst. Oft genug wurden solche aus den Behörden heraus vor Zugriffen gewarnt; kommt es doch zur Festnahme, so geschieht das seltsam pflichtbeflissen und leidenschaftslos, ja beinahe peinlich berührt. Schließlich erging ja ein Befehl – und es sind Kameras zugegen.

 

Ein Kommentar der Redaktion Sachzwang FM

 

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